Bertolt Brecht hat bei der Bearbeitung des Lenzschen Dramas Der Hofmeister eine satirisch-humoreske Szene gestaltet, in der eine Taschenmesserschnitzerei das Elend des deutschen Revolutionsgeistes offenbart. Die auftrumpfende Geste hinterlässt nur eine Sachbeschädigung.
Es ist eine der seltenen humorvollen Szenen in Brechts Werken: In dem Stück Der Hofmeister, das auf der gleichnamigen Vorlage des Stürmers und Drängers Jakob Michael Reinhold Lenz beruht, hat Brecht der schon bei Lenz angelegten Szene II, 3 mit den Studenten Fritz, Pätus und Bollwerk eine satirische Grundierung gegeben. Bei Brecht ist Pätus bereits vier Mal durchs Philosophie-Examen gefallen, weil er Kants Schrift Zum ewigen Frieden gegen seinen Prüfer, einen eingefleischten Anti-Kantianer, zu verteidigen versucht. Bollwerk und Fritz raten Pätus, er solle dem Professor nach dem Munde reden, um endlich das Examen zu bestehen.
BOLLWERK […] Aber derlei Unsinn vom Herrn Kant in Königsberg ist es, was der Gute schon im vierten Jahr dem Herrn Ordinarius Wolffen vorbringt und davor mit Recht durchfällt. Repetiers: Der Herr Kant ist ein Schwachkopf!
FRITZ Kannst dus nicht sagen, daß du durchkommst?
PÄTUS (der mit dem Taschenmesser etwas in die Tischplatte geschnitzelt hat:) Lies, was ich geschnitzelt hab!
FRITZ „Nein.“
PÄTUS Das ist meine Antwort im fünften Jahr, wenns sein muß. Und dies Nein gilt gleichermaßen der ganzen teutschen Untertänigkeit, indem sie doch nur selig sind, wenn sie Knechte sein können, am liebsten Kriegsknechte, als welche sie sich für irgendein Oberhaupt aufopfern!
Doch Pätus‘ pathetisch-revolutionärer Eifer scheitert schon kurz darauf an der Zimmerwirtin:
FRAU BLITZER Und was mit meinem Tisch, du Ungeheuer? Verdecks nicht, Kreatur! Geschnitzelt hat Er! Was Unanständiges! „Nein“!
PÄTUS Das betrifft den Immanuel Kant.
FRAU BLITZER In meinen Tisch! Ich hol den Profoß!