Sie ist die Femme fatale par excellence: Lou Andreas-Salomé! Die Liste der Geistesgrößen, denen sie den Kopf verdrehte, ist lang. Von den vielen Heiratsanträgen, die sie erhielt, ist der ihres späteren Ehemannes der bizarrste, ist er doch gepaart mit einem wahrhaft stichhaltigen Liebesbeweis.
Die Philosophenfreunde Paul Rée und Friedrich Nietzsche wollten Louise von Salomé heiraten, beide ließ sie abblitzen. Für Rainer Maria Rilke war sie abwechselnd Geliebte und mütterliche Ratgeberin, zuweilen auch beides gleichzeitig. Sie beeindruckte Gerhart Hauptmann, Maximilian Harden und Sigmund Freud, von dem sie sich zur Psychoanalytikerin ausbilden ließ.
Die begehrte Schriftstellerin aus einer russisch-deutschen Familie heiratete schließlich 1887 den fünfzehn Jahre älteren Orientalisten Friedrich Carl Andreas – doch unter welchen Umständen! Der damals mittellose Sprachlehrer Andreas stand eines Tages vor ihrer Tür und machte ihr einen Heiratsantrag, obwohl er sie kaum kannte. Sie wies ihn ab, doch um zu unterstreichen, wie ernst es ihm sei, unternahm Andreas vor ihren Augen einen Selbstmordversuch, indem er sich sein Taschenmesser in die Brust stieß. Am Ende willigte sie in die Eheschließung ein, allerdings unter der Bedingung, dass die Ehe nie sexuell vollzogen würde.
In ihrem aus dem Nachlass veröffentlichten Lebensrückblick erzählt Lou Andreas-Salomé die unerhörte Begebenheit „am Vorabend vor unserer Verlobung“ mit eigenen Worten:
Mein Mann trug, für abendliche Heimgänge in seine damals sehr entlegene Wohnung, ein kurzes, schweres Taschenmesser bei sich. Es hatte auf dem Tisch gelegen, an dem wir uns gegenüber saßen. Mit einer ruhigen Bewegung hatte er danach gegriffen und es sich in die Brust gestoßen.
Als ich, halb von Sinnen auf die Straße stürzend, von Haus zu Haus nach dem nächsten Wundarzt auf der Suche, von eilig mit mir Gehenden über den Unfall befragt wurde, hatte ich geantwortet, jemand sei in sein Messer gefallen. Während der Arzt den auf den Boden gesunkenen Bewußtlosen untersuchte, machten ein paar Silben und seine Miene mir seinen Verdacht deutlich, wer hier das Messer gehandhabt haben mochte. Zweifelhaftes blieb ihm, er benahm sich aber in der Folge diskret und gütig.
Der Umstand, daß das der Hand entgleitende Messer die Klinge einklappte, hatte das Herz geschützt, doch gleichzeitig ein Dreieck verursacht, das die Wunde schwer heilbar machte.
Lou Andreas-Salomé, Lebensrückblick
Wenn es aus dieser Geschichte etwas zu lernen gibt, dann wohl, dass Taschenmesser ohne Klingenverriegelung in erster Linie Schneid- und keine Stichwerkzeuge sind.